Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack, Projektleiter Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes

Ein Gespräch über die konreten Aufgaben des neuen Kompetenzzentrums Tourismus des Bundes, die Idee, Theorie und Praxis allen voran für KMUs aus einem Guss zu liefern und wie die Zusammenarbeit mit Politik und anderen Verbänden gestaltet werden soll.

Herr Prof. Quack, das neue Kompetenzzentrum hat jetzt offiziell die Arbeit aufgenommen. Im Vorfeld gab es Kritik, etwa von Reinhard Meyer, Präsident des DTV, welcher es als Schnellschuss kritisierte. Was entgegnen Sie dem?

So wie ich ihn verstanden habe, hat er nicht das Zentrum als solches kritisiert, sondern die zeitliche Befristung des Projekts. So sehen das ja auch andere. Aber wir arbeiten mit dem DTV und anderen Verbänden im Beirat eng und vertrauensvoll zusammen, um in unserer Arbeit die ganze deutsche Tourismuswirtschaft zu erfassen. Da spielt der Deutschlandtourismus wie ihn die DMOs organisieren genauso eine wichtige Rolle wie das Incoming und Outgoing, wie Veranstalter-, Vertriebs- und Mobilitätsthemen.

 

Das Kompetenzzentrum hat sich auf die Fahne geschrieben, Theorie und Praxis aus einem Guss zu liefern. Wie genau wird dieser Ansatz mit Leben gefüllt?

Unser Ansatz ist Mittler zu sein zwischen der Theorie im Sinne von Forschung und der Praxis im Sinne von Tourismuswirtschaft. Dazu kommt als dritte Säule die Tourismuspolitik, also die Beratung des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi). Ein wichtiges Instrument unserer Arbeit sind dabei Analysen. Die erste Phocuswright-Studie „Tourism in Germany 2030“ haben wir bereits vorgestellt. Dann bauen wir ein Online-Panel der Tourismuswirtschaft auf, wo wir regelmäßig Befragungen durchführen werden. Auch hier haben wir erste Ergebnisse bereits vorgestellt. Nach der Analyse steht dann die Überprüfung durch die Praxis, also die Frage nach den Bedarfen. Hier liegt unser Betrachtungs-Schwerpunkt übrigens auf den KMUs. Das ist vom BMWi vorgegeben. Und schon das zeigt die Praxisnähe unserer Arbeit. Denn der allergrößte Teil der touristischen Unternehmen in Deutschland sind Mittelständler.

 

Und wie wollen Sie Ihre Erkenntnisse dann den Unternehmen für die Praxis zugänglich machen?

Genau diese Frage haben wir den Unternehmen in unserem ersten Online-Panel gestellt. Wir wollten also wissen, wie Wissen praxistauglich aufzubereiten sein muss. Und über welche Kanäle wollen Unternehmen überhaupt informiert werden? Die ersten Ergebnisse haben wir nun im Beirat besprochen. Jetzt beginnt die nächste Etappe. Klar ist, dass es in erster Linie digitale Wissensvermittlung sein wird, die wir anbieten. Dabei geht es uns nicht darum, möglichst viele Klicks auf der Website zu haben, sondern dass es uns am Ende des Projekts gemeinsam mit den relevanten Verbänden gelingen wird, die entsprechenden fachlichen Hinweise an die Unternehmen zu bringen. Das schließt die Verbreitung von Informationen über die Kanäle der Verbände ausdrücklich ein.

 

Über Ihr Markt- und Trendradar wollen Sie vierteljährig eine Panelbefragung zu relevanten Themen durchführen. Aber was ist relevant? Und wie genau werden die Daten erhoben?

Die Analysen unseres Markt- und Trendradars machen wir selbst. Dafür brauchen wir natürlich Teilnehmer, die sich bereit erklären, vier Mal im Jahr bei der Befragung mitzumachen. Hier suchen wir übrigens noch Firmen, die sich beteiligen. Über die Teilnehmer sollen aber auch Themen in das Panel hineingetragen werden. Unsere Arbeit ist also keine Einbahnstraße, das ist ganz wichtig zu verstehen.

 

Was sind Stand heute die Themen, die Sie abfragen wollen?

Es gibt drei Schwerpunktthemen: Digitalisierung, Internationalisierung und Tourismus für lebenswerte Regionen.

 

Der letzte Punkt klingt nach Förderung ländlicher Räume, aber das gibt es schon.

Das Thema hat seinen Fokus auf dem Deutschlandtourismus. So kann man es sagen. Aber bei uns geht es nicht nur um ländliche Räume, wo der Tourismus wesentliche Wirtschaftskraft einer Region sein kann und für Lebensqualität sorgt. Denn in städtischen Regionen kehrt sich die Fragestellung bei einer Overtourism-Lage vielleicht um. Auch das gehört für uns in der Betrachtung dazu. Letztlich liegen hinter jedem der drei Schwerpunktthemen aber wieder drei Managementthemen: Innovations-Management, Wissens-Management und Change-Management. Und die schauen wir uns genauer an und machen unsere Erkenntnisse der Branche aktuell zugänglich.

 

Ein Problem des Deutschlandtourismus ist die Kakophonie der Stimmen. Wie soll die Zusammenarbeit Ihrerseits mit den großen Tourismusverbänden und der Politik koordiniert werden, damit Ihre Empfehlungen nicht verpuffen?

Alles, was wir tun, muss genau deshalb schon im Vorfeld eng mit allen Beteiligten und im Beirat abgestimmt sein. Bis jetzt empfinde ich die Kommunikation mit den Verbänden als sehr konstruktiv.
Wir haben aber keinen Auftrag, die Verbände in die eine oder andere Richtung zu bewegen. Vielleicht kann man es so sagen: Wir sind jetzt der ergänzende Austausch zwischen den Verbänden und dem BMWi.

 

Was sind in Ihren Augen die dringlichsten Themen der hiesigen Tourismusbranche?

Was wir zum Beispiel in unserer ersten Studie mit Blick auf Deutschland im Jahr 2030 sehen können, sind die Unterschiede in den Bereichen Online-Vertrieb, Start-up-Kultur und Entrepreneurship zu vielen anderen Wirtschaftsnationen. Da hat Deutschland Nachholbedarf, was aber auch mit Besonderheiten wie dem immer noch stark stationären Verkauf von Reisen zusammenhängt. Ein derartiges Reisebüronetz gibt es in den meisten Ländern ja überhaupt nicht. Trotzdem ist es erstaunlich, dass wir hier trotz der extrem hohen Akzeptanz von Smartphones im Alltag einen noch so geringen Anteil an Mobile-Buchungen haben.

 

Inwieweit können Sie als Bundeskompetenz-Zentrum steuernd wirken, wenn über EFRE-Projekte und andere Förderprogramme vieles bereits schon in Brüssel entschieden wird?

Wir haben keine ordnungspolitische Aufgabe. Das ist nicht unser Job. Aber natürlich schauen wir in welche Richtung sich Regionen mit den von ihnen gesetzten Themen entwickeln. Und wenn es denn so wäre, dass unsere Analysen ganz andere Dinge für sinnvoll erachteten als das, was von der EU gefördert wird, würden wir das über unsere Wege kommunizieren. Allerdings ist auch klar, dass wir uns nicht in die Arbeit vor Ort einmischen.