Rainer J. Beck veranstaltet seit fast 50 Jahren Musik- und Theaterreisen. Eine Nische, die er als erster bearbeitete. Ein Gespräch über Einzelkämpfer im Deutschlandtourismus, den steigenden Showfaktor im Segment der Bildungsreisen, Damen mit Pelzmänteln und warum der Osten Deutschlands für Kulturintressierte ein Segen ist.
Herr Beck, Sie organisieren seit 1970 Musik- und Theaterreisen, ein Nischenprodukt. Wie ist der Markt für ein solches Produkt hierzulande?
In den 70er und 80er Jahren war der Markt sehr gut. Ich war ja auch der bundesweit erste Veranstalter in diesem Segment. Ab den 2000er Jahren hat sich dann aber einiges geändert. Nicht, weil es da schon eine Reihe von Mitbewerbern gab, sondern eher auf Seiten des Gastes.
Wie hat sich denn der Gast verändert?
Zum einen natürlich die Art und Weise, wie sich Menschen heute ihren Städteurlaub und ihre Tickets buchen. Das stellt bis heute jeden Veranstalter vor Herausforderungen. Dann kommt aber erschwerend hinzu, dass die meisten Menschen, wenn überhaupt, nur noch fünf Komponisten oder Solisten kennen. Stars wie Anna Netrebko reisen die Leute alle hinterher. Der Rest fällt hinten runter, was sehr schade ist. Denn die bekanntesten Künstler sind nicht immer die besten.
Heißt: Auch in den einstmals intellektuellen Reisekreisen hat der Showfaktor Einzug gehalten?
Die meisten Leute hören nur noch mit den Augen. Kulturelles, musikalisches und geschichtliches Hintergrundwissen fehlt dagegen immer öfter. Früher haben meine Gäste oft noch stundenlang abends an der Hotelbar über die Konzerte und Aufführungen diskutiert und gefachsimpelt. Da habe ich die Ohren gespitzt. Auch im Bus kreisten die Gespräche um die Musik oder Theater. Heute lesen viele Zeitung, schlafen oder sind schon nach ein paar Minuten wieder beim FC Bayern. Auch die Geselligkeit geht immer mehr Menschen abhanden.
Wer sind Ihre Gäste?
Zu 80 Prozent manchmal Frauen und Damen (lacht). Zwei Drittel sind Einzelreisende, ein Drittel Ehepaare. Und viele sind Stammgäste.
Bitte beschreiben Sie uns kurz ihre Reisen – und was sie von Eventreisen größerer Veranstalter unterscheidet?
Ich habe schon früh damit begonnen, neben den eigentlichen Besuchen in den großen Theatern und Opernhäusern ein Rahmenprogramm anzubieten, also Besichtigungen von Museen und Galerien, gastronomische Erlebnisse oder Gespräche mit Komponisten. Das war lange einmalig. Vielleicht sogar bis heute. Aber im Vordergrund steht immer die Musik.
Wie ist das als Einzelkämpfer im Deutschlandtourismus? Wie ist der Zugang oder die Unterstützung seitens der Städte und Einrichtungen, denen Sie Gäste bringen?
Ich sage mit Stolz, dass ich meine Eintrittskarten, obwohl ich Sie natürlich gratis bekommen würde, bis heute selbst bezahle. Die Häuser haben so große finanzielle Nöte, dass ich mich schämen würde, hier nicht meinen Beitrag zu leisten. Aber zu Ihrer Frage: Leider fehlt es in vielen Städten an Wertschätzung gegenüber jenen, die in Summe als Einzelkämpfer und kleine Unternehmer fast sogar mehr bewegen als die großen Konzerne und Veranstalter. Ein gutes Beispiel sind ja auch die tausenden von Gästeführern, die so viel zu einem gelungenen Stadtaufenthalt beitragen – aber völlig alleingelassen werden. Und generell würde ich sagen, dass es im Osten Deutschlands mehr Wertschätzung kulturelle Reiseangebote gibt.
Das müssen Sie erklären?
Ich erlebe zum einen das Publikum im Osten als oft musikalisch und theaterwissenschaftlich gebildeter. Dazu sind die Opernhäuser und Spielstätten nicht so durchkommerzialisiert wie im Westen. Das Flair ist also schon direkter auf die Kunst bezogen, was den mir so wichtigen Austausch zwischen den Gästen fördert. Auch sehe ich viel Herzblut in den Neuen Bundesländern. Die Menschen sind stolz auf ihr kulturelles Erbe und vermitteln das entsprechend leidenschaftlich auch ihren Gästen. Und da ist noch diese Natürlichkeit, dass einem jemand ein Theater auch noch zum Anschauen aufsperrt, obwohl eigentlich schon geschlossen ist.
Wie organisieren Sie Ihre Reisen?
Ich habe in all den Jahren nur mit vier Agenturen zusammengearbeitet. Die meisten Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, sind inzwischen Freunde. Wichtig für die Durchführung meiner Fahrten ist unser Theaterbus. Übrigens der einzige in dieser Art in Deutschland. Dieser Bus wurde von einem Busunternehmer aus Landshut nach meinen Vorstellungen gebaut: nach hinten ansteigende Theaterbestuhlung, zwei Garderobeschränke für die Pelzmäntel der Damen, eine Küche, eine hochwertige Audioanlage, Fernseher. Ansonsten schaue ich natürlich immer, wo welche Aufführungen stattfinden. Diese Termine sind auch für meine Touren die Basis.
Wie viele Reisen führen Sie dieses Jahr durch?
Früher waren es mal 60 Touren pro Jahr. 2017 werden es zirka 40 werden.
Sind Sie in irgendeiner Form von der neuen EU-Pauchalreiserichtlinie betroffen?
Nein. Ich stelle schon lange als Veranstalter Sicherungsscheine aus. Da ich ausschließlich komplette Pauschalreisen anbiete, sind diese dadurch abgedeckt.
Wie sehen Sie Ihre unternehmerische Zukunft – und was bringt das Jahr 2018?
Viele meine Kunden sind alt. Die Herausforderung ist, jüngere Menschen, die 50- bis 60-Jährigen, für dieses Format zu begeistern. Und ich werde verstärkt Angebote in Deutschland auflegen. Die Möglichkeiten Kunst, Kultur und Natur miteinander zu kombinieren, sind einmalig.