Ein Gespräch über die zehn Eckpunkte des DTV Zukunftspapiers für eine nationale Tourismusstrategie, die ersten Reaktionen darauf seitens der Politik, und die Erwartungen der Branche an die Einhaltung dieses Versprechens im Koaltitiosvertrag.
Herr Meyer, im Rahmen eines Tourismuspolitischen Frühstücks haben Sie vergangene Woche Mitgliedern des Bundestags sowie Ministeriumsvertretern die zehn Eckpunkte des DTV Zukunftspapiers für eine nationale Tourismusstrategie detailliert erläutert. Wie waren die Reaktionen der Abgeordneten?
Die Reaktionen der rund 50 Leute, darunter 17 Abgeordnete verschiedener Ausschüsse, waren sehr positiv. Insbesondere, weil wir sehr deutlich gemacht haben, dass wir uns nicht in die Meckerecke stellen, sondern mit konstruktiven und klaren Vorschlägen zur nationalen Tourismusstrategie beitragen möchten. Das Papier enthält klare Vorschläge für Maßnahmen. Und das wurde von den Teilnehmern absolut goutiert. Wir waren der erste der Verbände, und das wurde uns auch so gesagt, der sich so umfassend und klar dazu geäußert hat, wie so eine Strategie aussehen könnte.
Ich war tatsächlich auch überrascht, wie ausformuliert ihre zehn Forderungen samt möglichen Lösungsvorschlägen dort stehen. Wie sehr kommt Ihnen hier zugute, dass politische Geschäft selbst sehr gut zu kennen?
Die Papiere haben wir zusammen im DTV-Vorstand und -Präsidium abgestimmt, aber ich will nicht verhehlen, dass wir uns im Bereich Tourismuspolitik auch personell verstärkt haben. Wir haben eine neue Arbeitsgruppe, die sich mit genau diesen Fragen auseinandersetzt und das ganze DTV-Netzwerk dafür nutzt. Und die ersten Ergebnisse sieht man nun. Das hat so eine neue Qualität.
Von diesen nun sehr konkreten Vorschlägen an die Politik: Welche haben Ihrer Meinung nach Chancen, in der von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbarten nationalen Tourismusstrategie aufgenommen zu werden?
Wir haben noch drei Jahre Legislatur. Ziehen wir ein halbes Jahr Wahlkampf ab, dann ist zunächst mal klar, dass wenig Zeit für die Umsetzung bleibt. Also muss man jetzt schnell anfangen. Und es gibt verschiedene Anknüpfungspunkte für den Tourismus, zum Beispiel die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, federführend letzte Woche vom Bundesinnenministerium ins Leben gerufen. Dort könnte man das Thema Förderwesen gut anbringen, insbesondere für strukturschwache Räume. Speziell in ländlichen Räumen spielt der Tourismus für die wirtschaftliche Entwicklung und für Arbeitsplätze ja eine zentrale Rolle. Eine andere Sache, die vielleicht schnell umzusetzen ist, wäre ein Staatssekretärs-Ausschuss zwecks besserer Kommunikation touristischer Themen innerhalb der Bundesregierung. Ich weiß, dass Thomas Bareiß (CDU) als Tourismus-Beauftragter da durchaus Sympathien für hätte.
Klingt, als wüsste derzeit innerhalb der Regierung die linke Hand nicht was die rechte tut, wenn es um den Tourismus geht.
Zumindest gibt es Beispiele, wo die Kommunikation zwischen den Ressorts nicht funktioniert hat. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode das ganze Thema Wassertourismus, wo es angeblich ein Konzept des Bundesverkehrsministeriums gab, das aber lange Zeit im Wirtschaftsministerium gar nicht bekannt war. So etwas ärgert Touristiker zurecht, weil viel daran hängt.
Aber es ist ja schon mal ein Erfolg, dass es mit Thomas Bareiß (CDU) seit April einen parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium als Tourismus-Beauftragten gibt. Welchen Eindruck hinterlässt er bislang?
Ich habe den Eindruck, dass er das Amt sehr stark annimmt. Und dass er konkret und pragmatisch an diese Aufgabe rangeht. Das sind erst einmal gute Voraussetzungen, um bis zu den nächsten Wahlen etwas auf den Weg zu bringen.
Ein Treffen mit Spitzenverbänden am 5. September wurde aus terminlichen Gründen allerdings abgesagt. Wurde dies bereits nachgeholt?
Wir hatten vorher schon ein Gespräch mit den Spitzenverbänden im kleinen Kreis. Von daher war die Absage nicht so schlimm.
Neben der besseren Vernetzung in die Politik ist eine Ihrer wichtigsten Forderungen, die Fördervielfalt für Tourismusakteure überschaubarer zu machen. Wie könnte das gehen?
Zunächst wäre es wichtig, die Programme, die es auf Bundesebene bereits gibt, miteinander abzustimmen und bürokratische Hürden für Förderungen abzubauen. Das soll diese Legislaturperiode auch angegangen werden. Konkret: Es gibt zum Beispiel zwei große Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern, die mit viel Geld ausgestattet sind: Die Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie der Agrar- und Küstenschutz. Beide Programme erlauben die Förderung des Tourismus, aber es gibt keine Koordinierung zwischen den beiden Programmen, keine richtigen Schnittstellen. Dazu gibt es noch Bundesprogramme im Bereich Infrastruktur und Innovation, die ebenfalls greifen könnten. Grundsätzlich ist aber das Problem für Tourismusregionen und Betriebe, dass sie nicht den Überblick haben, welches Programm für sie das wirklich beste ist. Und ob Berater, die Geld kosten, es richtig wissen, ist noch eine andere Frage.
Das Thema Freiwilligkeit der Tourismusförderung hat der DTV in seinen Eckpunkten gar nicht thematisiert, obwohl Sie doch sonst deutlich für eine Pflicht argumentieren.
Wir haben mit Blick auf eine nationale Tourismusstrategie unsere Forderung vor allem an den Bund adressiert. Das Thema Tourismusförderung ist eher eines für Länder und Kommunen, dort wird es letztlich entschieden. In die nationale Strategie wollten wir das deshalb nicht mit hineinbringen. Trotzdem bleibt es für den DTV eines der wesentlichsten Themen.
Verbände wie der DRV und RDA argumentieren stark gegen die sogenannte Urlaubssteuer und andere Abgabenbelastungen. Der DTV bleibt hier auffallend allgemein. Wieso?
Weil das nicht unsere Hauptthema ist. Aber diesbezüglich unterstützen wir natürlich die anderen Verbände, sitzen auch in einer gemeinsamen Lenkungsgruppe. Und wir führen auch Gespräche. Aber beim Thema Urlaubssteuer sind DRV und RDA federführend. Dieses Beispiel zeigt übrigens gut, dass die Zusammenarbeit zwischen den Tourismusverbänden immer besser funktioniert.
Was sind jetzt also ganz konkret die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer nationalen Tourismusstrategie?
Am 3. Dezember tagt der Tourismusbeirat der Bundesregierung. Das ist eine gute Gelegenheit für Thomas Bareiß und das BMWi zu sagen, wie man sich vorstellt, diesen Passus aus der Koalitionsvereinbarung jetzt anzugehen. Ich erwarte, dass es daran anschließend gemeinsam mit den Verbänden eine Diskussion geben wird und man eine Art Fahrplan entwickelt.
Wie groß wird das Wachstum im Deutschlandtourismus 2018 ausfallen?
Nach den aktuellen Zahlen ist das nächste Rekordjahr sicher, es wird wohl ein Plus um die drei bis vier Prozent bei den Übernachtungen geben. Und das liegt übrigens nicht nur am Wetter, sondern hat sehr viel mit Qualität zu tun. Ich kann mich noch an die Debatten erinnern, als man 400 Millionen Übernachtungen für eine magische Grenze hielt. Jetzt nähern wir uns den 500 Millionen. Der Deutschlandtourismus ist also eine echte Erfolgsgeschichte. Aber wir müssen zunehmend auch für Akzeptanz in einigen Regionen sorgen. Dafür, dass wir qualitatives Wachstum haben, das nachhaltig auch für die Menschen vor Ort ist. Das Wort „Overtourism“ mag ich zwar nicht. Aber wenn Sie sehen, wie eng es in manchen Städten oder auch auf Inseln wie auf Usedom manchmal wird, dann wissen wir um die Herausforderungen. Trotzdem gibt es in der Nebensaison noch Ansatzpunkte, die Zahlen zu steigern und Reiseströme zu entzerren. Und nicht zuletzt müssen wir dafür sorgen, dass Deutschland ein weltoffenes und gastfreundliches Land bleibt. Die Bilder aus Chemnitz passen nicht zu den touristischen Werten, die wir als DTV als Erfolgsfaktoren sehen. Fremdenfeindlichkeit und Tourismus schließen sich unserer Meinung nach aus.
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