Wenn Krisenkommunikation zum Tagesgeschäft wird
Was haben Corona-Viren, Insolvenzen, menschliche Tragödien und strategische Fehler im Management gemeinsam? Sie erreichen uns mit nicht vorhergesehener Härte. Kommunikationsexperte Dirk Rogl hat all diese Krisenszenarien erlebt. Mit stringenter Kommunikation lässt sich der Schaden in erheblichem Maße reduzieren, sagt er. Fünf wertvolle Tipps und eine Portion Zuversicht in Corona-Zeiten.
Von Dirk Rogl, Rogl Consult
Nachts genießen meine Kunden ein besonderes Privileg: nur ihre Telefonnummern lassen im Nachtmodus mein Smartphone klingeln. Dieser Schutzschirm ist ein wichtiges Learning meines bislang intensivsten Kriseneinsatzes: die Insolvenz von Unister und dem tragischen Tod meines damaligen Chefs Thomas Wagner. Im Spätsommer 2016 klingelte mein Handy im Dauermodus. Nun ist der letzte nächtliche Hilferuf einige Monate her. Corona ist wieder einmal anders als alle Krisen zuvor. Es kam schleichend. Niemand braucht dringend nächtlichen Support in PR-Fragen. Und dennoch ist Kommunikation wichtiger als jemals zuvor. Sie wird zum Tagesgeschäft.
Krisenkommunikation wird durch Corona zur zentralen Aufgabe der Unternehmensleitung. Sie ersetzt für eine gewisse Zeit Aufgaben des klassischen Marketings. Und sie zahlt sogar auf Marketing-Ziele ein. Wer in diesen Tagen richtig kommuniziert, kann seinen Markenwert beträchtlich steigern. Wer grobe Fehler macht, droht drastisch an Kundenloyalität zu verlieren.
Beispiel Adidas: Diese gut gepflegte Marke ist nun vermutlich dauerhaft beschädigt. Dabei ist sie wahrlich nicht die einzige, die in diesen Tagen in fragwürdiger Weise ihre etablierten Zahlungsströme durchbricht. Aber sie hat die Begründung dafür miserabel kommuniziert: zuerst gar nicht, dann mit einem bemerkenswert arroganten Ansatz.
Wir alle können es besser machen
Wir alle können es besser machen, wenn wir fünf simple Grundregeln der Krisenkommunikation beachten. Diese Regeln ersetzen nicht immer die Abstimmung mit Experten. Dafür sind Krisen leider zu individuell und komplex. Aber sie bewahren vor groben Fehlern. Probieren sie es gern aus.
1. Bleiben Sie ruhig und überlegt…
Niemand erwartet Wunder. Aber wir können die Situation entspannen, indem wir unsere relevanten Zielgruppen (Kunden, Partner, Mitarbeiter) stetig, nutzwertig und transparent informieren. Sammeln Sie die wichtigsten Fragen, die an sie herangetragen werden. Und finden sie in angemessener Zeit die richtigen Antworten. Solche Fragen sind leider unbequem:
- Wie steht es um die Sicherheit in meiner Destinationen, in meinen Betrieb?
- Welche Maßnahmen wurden eingeleitet? Was davon ist besonders wichtig? Und wieso?
- Wann erwarte ich ernsthaft eine Stabilisierung der Situation? Wie wird der Weg dorthin sein?
- Wieso hat noch niemand auf meine Mails, meinen Anruf, reagiert?
Im Kundendialog – und auch der ist Teil der Kommunikation – werden noch ganz andere Fragen auftauchen, die leider ebenfalls beantwortet gehören:
- Wie steht es um die Stornierung meiner Reise?
- Wann kann ich mit einer Rückzahlung oder Gutschrift rechnen? Wieso ist aktuell nicht mehr Kulanz möglich?
- Und (Achtung Adidas & Co): Wie rücksichtsvoll gehe ich in diesen Tagen mit wichtigen Partnern und Mitarbeitern um? Wieso gelingt mir dies aktuell vielleicht nicht so, wie es geboten werde?
Spätestens jetzt gilt: Antworten Sie besonnen und wägen Sie die Betroffenheit ihrer Zielgruppe ab. Und machen Sie dabei keine Fehler. Aber verzögern Sie Ihre Antwort nicht über Gebühr, so sie erwartet wird.
Was immer Sie jetzt tun, Sie werden auch in der Aufschwung-Phase exakt daran gemessen werden.
2. …aber verlieren Sie keine Zeit.
Kopf einziehen hilft leider nicht! Die oben genannten Fragen sind zwingend zu beantworten. Und das möglichst widerspruchsfrei. Und leider gibt es einige Themen, die leider überhaupt keinen Aufschub erlauben. Das gilt etwa für die Verbreitung falscher Gerüchte oder für fundamentale Vorwürfe gegen Sie, Ihre Mitarbeiter und Partner. Die gehören dementiert und geheilt, bevor sie sich weiter verbreiten. Dementieren Sie rasch falsche Fakten und Vorwürfe. Kontern Sie mit validen Fakten. Und antworten Sie notfalls mehrstufig, wenn die relevanten Informationen nicht vorhanden sind.
3. Bleiben Sie bei den Fakten
Nichts überzeugt mehr als klare Fakten. Dazu gehören geprüfte Zahlen und Fakten, die Meinung und die Analyse von Experten etwa über Studien, Analysen.
Nennen Sie dabei stets Quellen, vermeiden Sie, soweit möglich, die eigene Interpretation. Und vermeiden Sie Weitergabe aus ungeprüfter Quelle. Dazu gehören insbesondere Posts und Meinungen aus sozialen Netzwerken. Die dort häufig verbreiteten Fake-News lassen sich am effizientesten durch Kompetenz eindämmen.
Niemand hat die Wahrheit gepachtet. Tragen Sie seriös und kompetent dazu bei. Transportieren Sie jene Nachrichten und Fakten, die geprüft und für Sie relevant sind.
4. Aber bleiben Sie menschlich.
Klare Fakten und persönliche Betroffenheit sind zwei Seiten einer Medaille. Treten Sie wann immer möglich mit eigenem Namen auf, insbesondere wenn es um Menschen und Schicksale geht. Ein Statement des namentlich genannten Geschäftsführers ist authentischer als das anonyme Zitat eines Unternehmens.
Wenn Sie damit Bauchschmerzen haben, stimmt vermutlich etwas nicht in ihrer Kommunikationsstrategie. Wichtig ist insbesondere die rechtliche Kompetente: Sollten Fehler passiert sein, so erkennen Sie diese allenfalls nach einer umfassenden Prüfung der rechtlichen Situation an. Dennoch sollten Sie schon vorab Verständnis und Mitgefühl zeigen, so dies geboten ist. In solchen Fällen sollten Sie eine individuelle Beratung in Anspruch nehmen. Mitgefühl ist von zentraler Bedeutung, die Anerkennung von Schuld leider häufig ein komplexer juristischer Prozess, der auch als solcher zu betrachten ist.
Menschliche Betroffenheit und Schuldanerkenntnis im juristischen Sinne sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, die Sie klar trennen müssen.
5. Vermeiden Sie Widersprüche.
Die Kakophonie von Aussagen ist stets zu vermeiden. So wichtig persönliche Statements in Krisenzeiten sind, so wichtig ist die hierfür unerlässliche Sprecherregelung.
Wer darf gegenüber welchen Zielgruppen kommunizieren? Wer hat sich gegenüber welchen Zielgruppen zurückzuhalten?
Ein Kommunikationsplan hilft Ihnen dabei. Soweit noch nicht vorhanden, kann er schnell und pragmatisch erstellt werden. Dieses für alle Mitarbeiter verbindliche Papier regelt übrigens deutlich mehr als die Frage, wer gegenüber Medien kommuniziert. Interne Kommunikation, Partner- und Kundendialog und klassische PR sind eng zu vernetzen. Wenn nicht, entsteht in aller Regel Kakophonie.
Deshalb gilt:
Krisen-Kommunikation muss stets Chef-Sache und von höchster Priorität sein. Nur durch Koordination und klare Ansagen wird sie sich reibungsfrei durch ihre interne Organisation ziehen und ihre Zielgruppen erreichen. Wer Kommunikation noch nicht obersten Management verankert hat, der ist jetzt um so mehr gefordert. Nie war Kommunikation wertvoller als in diesen Tagen. Und sie findet auf allen Kanälen statt: eher selten in diesen Dialog per Pressemeldung, quasi permanent im Dialog mit Partnern und Kunden. Und bitte unbedingt auf ihrer Homepage, ihren Social-Media-Kanälen ihrer Mobile App (die gern vergessen wird in diesen Tagen). Nutzen Sie diese Chance.
Über den Autor:
Rogl Consult ist spezialisiert auf Krisen-Kommunikation. Basierend auf seiner Arbeit als ehemaliger Chief Communications Officer von Unister berät Dirk Rogl eine Vielzahl von Unternehmen fundiert und dezent in der Prävention aber auch in der Deeskalation von Krisensituationen im touristischen Umfeld. Aktuell lädt er immer mittwochs um 10.30 Uhr zum offenen Live-Chat zum Thema Krisenkommunikation.