Ein Gespräch über Open Data und die Anwendungsmöglichkeiten strukturierter Daten im Alltag, warum sich die Diskussion um Bildrechte und deren Lizenzen schnell klären wird, und weshalb Tourist-Informationen für digitale Touchpoints in Destinationen nicht erste Wahl sind.
Herr Huber, kaum einer in der Branche weiß so gut über Daten Bescheid und wie man damit umgehen sollte, um Informationen fließen zu lassen als Sie. Wie bewerten Sie, dass die DZT jetzt ein bundesweites Open-Data-Projekt koordiniert?
Das begrüße ich sehr! Und das sage ich stellvertretend für all jene, die von der technischen Seite her auf dieses Thema blicken – und die strukturierte touristische Daten schon lange auf dem Schirm haben. Durch die DZT ist das Thema nun aber auch politisch auf der höchsten Ebene angekommen. Und es ist einfach nur großartig zu sehen, wie sich die DZT hier einbringt, und dass dadurch das Interesse bei den politischen Entscheidern und Mandatsträgern bereits soweit angeregt ist, dass wir Techniker nicht mehr allein dastehen. Inzwischen haben alle begriffen, dass wir erst einmal „vorne“ etwas hineingeben müssen, damit „hinten“ etwas sinnvoll ausgespielt werden kann. Und obwohl das Thema jetzt von oberster Ebene koordiniert wird, besteht der größte Bedarf an strukturierten Daten im Alltag auf der Ortsebene.
Seit Jahren wird geredet wie wichtig strukturierte Daten sind. Wie sieht die Realität das draußen aus?
Regional sehr unterschiedlich. Dass Daten auf Projektebene ausgetauscht werden und wurden, ist auch nichts neues. Und für uns als Technologieanbieter ist das ebenfalls seit 2008 Alltag. Was der Entwicklung jetzt ein neues Drehmoment gibt, ist die Diskussion über die Lizenzmodelle (Stichwort: Creative Commons), in denen touristische Daten erfasst werden müssen. Also: Der Austausch und die Distribution von Daten über Plattformen wie unser destination.one ist technisch schon lange kein Problem mehr. Die Frage ist nun: Was darf wie wohin fließen, also genutzt werden. Und wir müssen in dem Zuge natürlich gleich auch über die Datenqualität und -Aktualität sprechen sowie über die Frage, wo Daten am besten gepflegt werden sollen. Dazu: Ich glaube nicht, dass das zwingend nur an einem Ort passieren muss, also in einem monolithischen System. Der Kraftakt, eine neue gemeinsame Datenbank zu schaffen, nicht nötig. Heutige, offene Dateninfrastrukturen wie unser destination.one vernetzten in Echtzeit alle Datenquellen einer Destination. Egal ob buchbare- oder nichtbuchbare Angebote, Bewegungsdaten der Besucherströme oder Auslastung der Freizeiteinrichtungen. Der Knowledge-Graph entsteht am Ende nicht durch einen monolithischen Speicherort, sondern durch die passende Lizensierung des Contents und offener, frei zugänglicher Daten (Stichwort: schema.org).
Nennen Sie mal ein paar konkrete Anwenderbeispiele, was Daten leisten können, die vielleicht nicht jeder sofort auf dem Schirm hat.
Ok, gehen wir mal ein paar Touchpoints durch. Der wohl am meisten genutzte ist das Internet selbst, oft über Google. Wenn ich dort nach Veranstaltungen in einer Region suche, nehmen wir exemplarisch St. Peter-Ording, dann listet Google oben nicht mehr die Links zu verschiedenen Websites als Top-Treffer, sondern direkt die Veranstaltungsdaten. Die Suchmaschine erstellt auf Basis ihres eigenen Knowledge-Graphen zur Anfrage passend einen eigenen Kalender. Das kann die Suchmaschine, weil ihr diese Daten strukturiert zur Verfügung gestellt werden. Für den User ist das sehr komfortabel. Und den möchte eine DMO mit ihren Informationen am Ende erreichen – auch, wenn der Gast nicht mehr direkt auf der eigenen Webseite landet ist diese dennoch zentraler Datenlieferant für Google (Stichwort: JSON-LD).
Was gibt es noch?
Nehmen wir an, jemand kommt in einem Ort oder einer Region an und möchte sich jetzt informieren, was er oder sie in den nächsten Tagen unternehmen könnte. Über einen digitalen Touchpoint kann man nun regionale Daten passend ausspielen. Wichtig ist hier, dass man über Open-Data den Erlebniskreis nun um einen für den Gast realistischen Radius von 30 oder 40 Kilometer erweitern kann. Das Angezeigte sollte also über die Ortsgrenze hinaus gehen. Daten fließen also über Landkreisgrenzen usw. hinweg. Und das ist im Sinne des Gastes. Gleiches sollte übrigens auch auf den touristischen Websites der Destinationen und Orte geschehen. Idealerweise laufen dort übergeordnete relevante Daten, etwa zu Events oder Touren, über ein Widget automatisiert ein, welches zum Beispiel von der LMO zur Verfügung gestellt wird. Gleiches kann so auch als Service direkt auf Hotelwebsites eingebunden werden. Die gesammelten Daten können also von vielen Leistungsträgern auf ihren Kanälen genutzt werden. Es geht nicht darum, dass die Ortsebenen ihre Daten nur nach „oben“ weitergeben, sondern, dass auch sie von dem gemeinsamen Datentopf profitieren. Es fließen am Ende viel mehr Daten zurück, als man eingibt. Wer dazu mehr Beratung sucht, kann sich zum Beispiel an Agenturen wie neusta destination solutions wenden. Solche Agenturen sind es auch, die am Ende des Open-Data-Prozesses alles für die verschiedenen Kanäle schick machen.
Viele bekommen aber speziell bei den Bildrechten noch Bauchschmerzen. Ist hier die Rechtefrage besonders knifflig?
Nein. Eigentlich nicht. Genau genommen hatten wir das Thema mit den Bildrechten doch schon einmal vor zehn Jahren beim Übergang von print zu online. Lange konnten sich die Fotografen nicht halten, die meinten, ihr Recht am Bild nur für die Druckausgaben abzutreten. Wenn sich der Markt verändert, müssen Anbieter eben ihre Geschäftsmodelle ändern. Das gilt für uns Technologieanbieter doch genauso. Die Tourismusorganisationen werden also Bilder künftig so beziehen, dass es zu ihren Anforderungen passt. Und es wird genug Fotografen geben, die entsprechend liefern und ihre Modelle verändern.
Noch mal zu den digitalen Touchpoints vor Ort: Wo sollte man die aufstellen?
Da haben wir inzwischen eine gute Lernkurve. Zusammengefasst lässt sich sagen: dort, wo am meisten los ist. Und das ist in der Regel nicht die Tourist-Info. Dort reichen oft auch ein, zwei Tablets.
Man gestaltet eine TI nicht attraktiver, nur weil man sie digitaler macht. Es geht als Destination darum, im ersten Schritt Reichweite für seine Informationen zu generieren und im zweiten Schritt nachhaltig die Wertschöpfung der Leistungsträger zu steigern. Dafür sollte man sich die Gästeströme vor Ort genau anschauen. Oft kommt bei der Analyse heraus, dass die besten Orte für Stelen und Info-Screens Bahnhöfe, die Eingangsbereiche von Supermärkten mit Bäckereien oder die Bereiche von Geldautomaten sind. Dort gehört mit touristischen Daten zuerst digitalisiert.
Wenn wir über Digitalisierung sprechen, redet die Branche erstaunlich wenig über Nachhaltigkeit. Ist es denn ökologisch vertretbar, wenn landauf landab bald und rund um die Uhr große Infoscreens flimmern?
Das ist eine gute Frage. Ich denke, alle sind sich einig darin, dass die Bildschirme nicht 24/7 Strom verbrauchen sollten. Ein Outdoor-Kiosk kann also in Zeiten mit erwartbarer Null-Frequenz, sagen wir mal zwischen 0 und 6 Uhr, ausgeschaltet werden. Und unsere Bildschirme gehen jetzt heute erst an, wenn die Kamera meldet, dass jemand da ist. Das reduziert den Stromverbrauch von 24 Stunden in Summe auf wenige Stunden pro Tag. Wenn man als Organisation dann noch für den Betrieb auf grünen Strom setzt, ist das eine gute Lösung. Aber man sollte die Digitalisierung auch als Chance sehen, anderswo einzusparen. Wenn eine DMO digitale Touchpoints hat, kann sie zum Beispiel die Druckauflagen vieler Prospekte stark reduzieren. Und noch etwas: Die Produktion von Katalogen frisst in den Organisationen auch wahnsinnig viel personelle Ressourcen. Teilweise sind Mitarbeiter dafür monatelang gebunden, sollen aber on top digitale Daten pflegen. Ich denke, dass das nicht funktioniert. Im Zuge der Digitalisierung von Destinationen müssen Arbeitsprozesse entweder angepasst werden. Oder man muss mehr Menschen einstellen.