Ein Gespräch über den heute erscheinenden Handlungsleitfaden „Auslandsmärkte kennenlernen und verstehen“, die größten Potenziale bei internationalen Zielgruppen und wie sich Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren touristisch weiterentwicklen möchte.
Herr Einsfelder, es sind bewegte Zeiten, hätten Sie gedacht, dass im Winter 2021 noch einmal so ein Szenario über dem Deutschlandtourismus schwebt? Und wie ist die Situation bei Ihnen im Bundesland?
In Sachsen-Anhalt ist die Lage insgesamt betrachtet ähnlich wie in den anderen Bundesländern auch. Einige Weihnachtsmärkte mussten zum Beispiel abgesagt werden, andere wiederum können stattfinden. Flächendeckend gilt 2-G – unseren Tourismustag haben wir dennoch auf 2022 verschoben, da für uns der persönliche Austausch und die Netzwerkpflege während der Veranstaltung wichtige Elemente darstellen, war eine Verlegung in ein rein digitales Format aus unserer Sicht keine Alternative. Mit der bisher gesammelten Erfahrung lässt sich glaube ich sagen, dass wir Corona-bedingt starke saisonale Wellen und damit auch wirtschaftliche Effekte haben. Im Sommer konnten wir zum Beispiel stark vom Nachholbedürfnis vieler Menschen profitieren und auch Outdooraktivitäten waren stärker als früher nachgefragt. Im Winter wiederum gibt es aufgrund der Inzidenzen Einschränkungen. Eine Folge dessen ist, dass wir noch stärker als ohnehin schon im Tourismus saisonal arbeiten und antizyklisch werben, um für Reiseanlässe inspirieren. Nicht zuletzt haben wir die Phasen, in denen wir notgedrungen keine oder weniger Gäste begrüßen durften, genutzt, um uns digitaler aufzustellen – zum Beispiel in dem wir das Thema unseres landesweiten Data-Hubs „SAiNT“ vorangetrieben haben.
Nicht nur im Bereich des Datenmanagements hat die IMG investiert, auch beim Thema Auslandsmarktforschung – inwiefern genau?
Marktforschung ist für uns kein neues Thema. Richtig ist aber, dass wir die Zeit genutzt haben, das Jahr 2020 sehr genau für verschiedene Quellmärkte zu analysieren und daraus für unsere Partner einen neuen Handlungsleitfaden zu erstellen, der heute erscheint. Befragungen in neun Ländern bilden die Datengrundlage für Steckbriefe zur noch gezielteren Bearbeitung der für uns relevanten Auslandsmärkte. Darauf bauen wir gemeinsam mit unseren Partnern und Betrieben im Land künftig unsere Maßnahmen auf. Konkret geht es um die Märkte Österreich, Schweiz, Niederlande, Dänemark, Schweden, Polen, USA, Südkorea und China. Unterstützt wurden wir bei den Befragungendurch die inspektour international GmbH und das Feldinstitut Norstat. Ziel war die Ermittlung der nachfrageseitigen Wahrnehmung des Reiseziels Sachsen-Anhalt, um zentrale Themen und Zielgruppen je Quellmarkt sowie Möglichkeiten der medialen Ansprache zu identifizieren.
Warum ist das Auslandsmarketing für Sachsen-Anhalt so ein wichtiges Thema? Die große Mehrheit Ihrer Gäste kommt doch traditionell aus dem Inland.
Das ist richtig. Mit Blick auf die Jahre vor Corona waren immer rund 7 Prozent unserer Besucher internationale Gäste. 2020 sank dieser Anteil auf 5,25 Prozent. Perspektivisch können wir aber allen voran im Ausland mit unseren Themen Wachstum erzeugen. 2017 war mit dem Reformationsjubiläum unser bislang stärkstes Jahr für den Auslandstourismus (9%). In der Lutherstadt Wittenberg stieg der Incoming-Anteil auf über 10 Prozent. Laut unseren Daten ist im Ausland besonders das Potenzial für kulturelle Themen, für Burgen, Schlösser und historische Städte groß. Und das deckt sich wiederum sehr gut mit unseren Angeboten. Mit insgesamt fünf UNESCO-Stätten und der Himmelsscheibe von Nebra, also unsere „6 Staunenswerte“, ist Sachsen-Anhalt schließlich eines der Bundesländer mit der höchsten Welterbe-Dichte. Um für diese Highlights mit ihren entsprechenden Angeboten neue Zielgruppen zu gewinnen, werden wir unsere Marketingmittel jetzt noch zielgerichteter mit unseren Partnern einsetzen – bei den Themen Luther und Bauhaus auch bundeslandübergreifend im Schulterschluss mit Thüringen werben.
Sachsen-Anhalt war dieses Jahr eines der ersten Bundesländer, das mit der „ReiseluST 2022/2023. Echt schön. Sachsen-Anhalt.“ eine digitale B2B-Fachmesse veranstaltet hat. Wie war das Feedback der Teilnehmer und wie sehen Sie das Format selbst im Rückblick?
Grundsätzlich ist die Bilanz der zwei Tage positiv und mit guter Resonanz von unseren 40 Partnern. Auch die Teilnehmerzahl hat unsere Erwartungen übertroffen. 14 Stunden „Reiselust“ mit insgesamt 152 Teilnehmern, zudem bleibt das Format auch noch fünf Monate im Netz, wo man sich zum Beispiel Materialen herunterladen kann. Auf diesen Service weisen wir auf unseren Social Media-Kanälen immer wieder hin. Das digitale Format bietet also bei viel geringeren Kosten im Vergleich zu einer Präsenzmessen einige Vorteile. Trotzdem ist digital only nicht die Lösung. Wir sehen B2B-Formate wie Messen künftig als hybride Events. Die Branche lebt vom persönlichen Gespräch. Aber diesen hybriden Weg wollen wir weitergehen – eventuell auch länderübergreifend mit unseren benachbarten Bundesländern. Auch bei Pressereisen hören die Programme mittlerweile nicht mehr an der Landesgrenze auf, was ich persönlich gut finde, weil es der Realität des Gastes entspricht.
Abgesehen von der aktuellen Tourismuskrise: Welche Themen stehen bei Ihnen für die touristische Weiterentwicklung Sachsen-Anhalts auf der Agenda?
Im Rahmen des Masterplan Tourismus 2027 haben wir bereits eine klare Positionierung. An dieser Gesamtstrategie mit der Entwicklung von Leitprodukten arbeiten wir konsequent weiter, wobei zum Beispiel das Thema Nachhaltigkeit aufgrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen jetzt noch einmal stärker in den Fokus gerückt ist. Auch die Digitalisierung hat durch die Herausforderungen der Pandemie noch einmal an Tempo und Notwendigkeit zugelegt. Wichtig ist immer, dass man bei allem, was man tut, die Sicht des Gastes einnimmt und nichts aus Selbstzweck tut. Ein Schwerpunkt im nächsten Jahr werden zum Beispiel unsere großen Themen Outdoor- und Aktivreisen sowie Kultur- und Städtereisen entlang unserer „echt schön“ Kategorien „Echt aktiv“ und „echt kulturvoll“ sein, zu denen wir auch Pressereisen durchführen werden.