Ute Meinhard, Geschäftsführerin Naheland-Touristik GmbH

Ein Gespräch über Frauen als Reisende, das Thema Frau in der Destinationsentwicklung und die Schwierigkeit zwischen zwei starken Marken wie Pfalz und Mosel ein eigenes Profil zu entwickeln.

 

Frau Meinhard, die Nahe.Urlaubsregion hat sich starke Frauen als Thema gesetzt und dazu ein Magazin produziert. Was hat es damit auf sich?

Die Jahre vorher hatten wir immer sehr klassisch ein Beherbergungsverzeichnis mit einem Anzeigenteil für Vermieter herausgegeben – quasi ohne umfassenden Imageteil. Dann haben wir den Entschluss gefasst, die Inspirationsebene zu verstärken und dies über echte Geschichten zu tun. 2016 bis 2018 stand die Einrichtung des neuen Hildegard von Bingen Pilgerwanderweges hier in der Region im Vordergrund. Und durch die Beschäftigung mit dieser berühmten und starken Frau kam die Idee auf, dieses Thema weiterzudenken. Und zwar so, dass wir unsere regionalen Urlaubsthemen über starke Frauen als Gesichter abgebildet haben. Ich denke, auf das so entstandene Magazin mit seinen Interviews, Reportagen und Portraits, das wir passend zum Weltfrauentag 2019 gelauncht haben, können wir stolz sein. Medien wie „Bild der Frau“ oder die „Apotheken Umschau“ sind dadurch auf die Region aufmerksam geworden und haben eigene Geschichten mit großer Reichweite veröffentlicht. Und hier vor Ort kommt das Magazin ebenfalls sehr gut an.

 

Also war das Thema Zufall?

Sagen wir es so: Die Idee ist aus einem aktuellen Anlass heraus entstanden. Aber die Notwendigkeit, die Nahe.Urlaubsregion stärker zu profilieren, war natürlich ein bewusstes Projekt. 2017 hat Christoph Engel, Brand Trust GmbH, bei uns eine Präsentation zum Thema Markenentwicklung gehalten. Daraufhin haben wir überlegt, wie wir Themen zuspitzen können, um einen klareren Fokus als bislang zu setzen. Aber es steht jetzt nicht zur Debatte, die gesamte Nahe.Urlaubsregion gendermäßig zu entwickeln.

 

Wird Tourismus vielleicht überhaupt viel zu sehr aus der männlichen Perspektive gedacht?

Nur in wenigen Produktbereichen, etwa bei Wellnessangeboten, wird die weibliche Perspektive wirklich berücksichtigt. Nehmen wir Gastronomiebetriebe, die zum Beispiel teilweise zu große Portionen für Frauen servieren. Oder überhaupt, was auf den Speisekarten angeboten wird. Das trifft oftmals eher den Männergeschmack. In vielen Hotelzimmern geht es weiter: Die Farbgebung und Einrichtung sind nicht immer an die weiblichen Bedürfnisse angepasst. Ein echter Schminkbereich – Fehlanzeige. Viele Frauen haben andere Anforderungen ans Wohlfühlen als Funktionalität. Eine ganze Destination nur „für Frauen“ zu entwickeln halte ich aber für unrealistisch. Um hier noch einmal auf unsere Region  zurückzukommen: Der Hildegard von Bingen Pilgerwanderweg wird sehr viel von Frauen der Altersgruppe 50 plus gelaufen. Dieses Projekt könnte man zielgruppenspezifisch mit dem Fokus auf weibliche Gäste weiterentwickeln.

 

Im Tourismus arbeiten aber doch sehr viele Frauen, auch oft in gehobenen Positionen. Wieso werden denn die Erwartungen von Frauen an eine Auszeit nicht besser bedient?

Das ist eine schwierige Frage. Wir haben bei uns in der Region tatsächlich viele weibliche Führungskräfte auf Hotelebene. Auch unsere Landrätin, die Vorsitzende unserer GmbH, ist eine motovierte und engagierte Frau im Tourismus. Vielleicht haben wir das einfach noch nie richtig in den Fokus genommen, weil wir immer sehr themenspezifisch gearbeitet haben: Wandern, Wein, Kultur, Wellness und das regionalspezifische Thema Edelsteine. Wieso es aber auch deutschlandweit nicht viel anders ist, kann ich nicht beantworten. Ich glaube, es müsste ein produkt- bzw. projektbezogener Prozess angestoßen werden, bei dem die DMO ihre Leistungsträger mitnimmt und für das Thema Bedürfnisse von Frauen sensibilisiert, ohne aber Männer auszuschließen. Die themenspezifische Entwicklung ist beim Thema Wandern gut gelungen. Aber selbst hier hat es zehn Jahre gedauert.

 

Nach 17 Jahren ist für Sie nun Schluss bei der Naheland-Touristik: Was hat sich über die Jahre in der Region touristisch zum Positiven gewandelt?

Zu Beginn meiner Zeit war die Nahe eher eine Radregion. Dann rückte über die Entwicklung von Qualitätswanderwegen wie dem Rheinsteig, dem Saar-Hunsrück-Steig, dem Soonwaldsteig, unseren Vitaltouren und Traumschleifen das Thema Wandern in den Fokus. Und in dieser Richtung haben wir uns stark profiliert. Wir bieten inzwischen über 40 prädikatisierte Rundwanderwege an. Vieles ist gemeinsam mit den Kommunen und den Gastgebern entstanden. Hier gibt es ein zeitgemäßes Bewusstsein für den Wandertourismus und den Gast. Auch für den Tourismus als Wirtschaftsfaktor insgesamt ist in den vergangenen 15 Jahren ein Bewusstsein entstanden, wozu u.a. auch die Entstehung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald beigetragen hat. Das Zusammenspiel Wein und Tourismus funktioniert ebenfalls sehr gut, welches bis zu gemeinsamen Marketingaktivitäten reicht.

 

Wo steht das Naheland heute in Zahlen?

Wir liegen jährlich bei rund 380.000 Gästeankünften und 1,6 Millionen Übernachtungen. Ein Niveau, das sich über die letzten Jahre stabil hält. Wir stellen fest, dass immer kurzfristiger gebucht wird. Bei uns in der Geschäftsstelle als Regionalagentur landet dabei vieles, was einen gewissen Beratungsbedarf erfordert. Ein Zimmer mit Frühstück buchen die Gäste dagegen online über die Buchungsplattformen. Die Nahe ist im Vergleich zu Mosel und Pfalz außerdem eher ein Geheimtipp – womit wir wieder beim Thema Marke wären. Die Destination befindet sich diesbezüglich gerade in einem Umstrukturierungsprozess. Weg von der Marketing-Organisation hin zu einer Managementorganisation.

 

Und eine Marke Nahe, braucht es die?

Wie schon gesagt ist es zwischen starken Marken wie Mosel und Pfalz schwer, etwas zu etablieren.  Das war auch das Ergebnis eines Workshops mit Dr. Alexander Schuler (BTE). Wir werden daher künftig stärker in Produkteinheiten als in der Marke denken. Dafür braucht es aber eine andere Struktur.

 

Was ziehen Sie für ein persönliches Fazit nach 17 Jahren?

Ich denke, dass sich alle Touristiker dem Wandel stellen müssen, auch wenn es nicht einfach ist, alte Muster zu verlassen. Wir alle sollten uns noch öfter vor Augen führen, dass wir nicht allein mit diesem Wandel sind, ihn also auch nicht allein bewältigen müssen. Das gemeinschaftlich mehr erreicht werden kann, gilt übrigens nicht nur im Bereich der digitalen Herausforderungen. Wenn wir dies verinnerlichen, sind auf einem guten Weg.