Ein Gespräch über Besucherlenkung im Camping-Segment, Kundenzufriedenheit und wie die neue ADAC-Initiative „Camping Deutschland 2021 direkt“ für mehr Umsätze für Platzbetreiber und Destinationen sorgen möchte.
Herr Frers, 2020 hat das Segment Camping geboomt wie nie. Doch nicht alle Plätze und Regionen konnten von diesem Trend profitieren. Mit der Initiative „Camping Deutschland 2021 direkt“ soll diese Saison vieles einfacher und besser werden. Wie genau?
Die Nachfrage nach Camping in Deutschland ist letztes Jahr aufgrund von Corona explodiert, insbesondere prominente Plätze und Regionen konnten die Flut der Anfragen im Mai nicht mehr bewältigen. Folge: Enorme Mehrarbeit bei den Campingplätzen und viel Frustration bei den Reisenden. Die hohe Nachfrage konnte aufgrund mangelnder Besucherlenkung nicht sinnvoll verteilt werden. Dabei waren laut Zahlen des BVCD nur 20 Prozent der deutschen Plätze im Sommer wirklich ausgebucht waren. Durch die Neuzulassungen von weiteren 107.203 Camping-Fahrzeugen im vergangenen Jahr und die länger andauernde Pandemie wird sich die jetzt nochmals verschärfen. Die Initiative „Camping Deutschland 2021 direkt” des ADAC gibt allen Campingplätzen in Deutschland nun die Möglichkeit, ihre Verfügbarkeiten und Preise kostenlos auf PiNCAMP, dem Campingportal des ADAC, einzustellen und damit ihre Restkapazitäten auszulasten. PiNCAMP zeigt mehr als 5,5 Millionen Campern an, welche Plätze wann noch frei sind und sorgt damit für eine sinnvolle Besucherlenkung und Nachfrageverteilung. Zur Buchung oder für Reservierungsanfragen leiten wir immer auf die Internetseite des Campingplatzes weiter, der Gast bucht also direkt beim Campingplatz. Dafür fallen nicht einmal Aufnahmegebühren oder Provisionen an.
Wie verdienen Sie dann Geld?
Das steht im Moment nicht im Vordergrund. Viel wichtiger ist, dass wir zusammen durch diese Krise kommen und die Probleme lösen, die uns als Branche vergangenes Jahr auf die Füße gefallen sind. Die ADAC-Initiative ist daher gekoppelt an dieses besondere Corona-Jahr 2021. Sollte uns die Pandemie noch länger begleiten, verlängern wir diese kostenlose Initiative. Sobald Corona Geschichte ist, gehen wir mit den teilnehmenden Campingplätzen in den Dialog, um ein für die Branche sinnvolles Modell für die Zukunft zu finden. Sobald wir dieses Modell gefunden haben, kann jeder Campingplatz für sich entscheiden, ob er seine Verfügbarkeiten auch zukünftig über PiNCAMP kommunizieren möchte oder nicht. Es wird also keinen automatischen Transfer in ein Provisionsmodell geben.
Dann jetzt konkret: Welche Ziele verfolgt der ADAC mit dieser Aktion?
In diesem zweiten – und hoffentlich letzten Corona-Jahr – wollen und werden wir folgende Probleme lösen. Erstens muss die hohe Nachfrage möglichst durchgängig auf alle Campingplätze in Deutschland verteilt sowie weniger nachgefragte Regionen ausgelastet werden. Es geht also um Besucherlenkung durch Sichtbarkeit. Zweitens können wir für unsere Partner die Umsätze steigern, indem wir Buchungslücken füllen und weniger bekannte Plätze besser auslasten. Drittens wird durch Digitalisierung und die Automatisierung von Prozessen der administrative Aufwand für die Betreiber gesenkt, was zu Kostensenkungen führt. Ein Beispiel: Wenn das System weiß, dass der Platz an einem Tag voll ist, werden Anfragen für den Termin automatisch verhindert. Die händische Beantwortung irrelevanter Anfragen wird dadurch für viele Plätze drastisch sinken. Viertens – und ganz wichtig für den nachhaltigen Geschäftserfolg: Die Kundenzufriedenheit steigt, weil sich für Camper, die einen Platz suchen, der Komfort erhöht. Die ganzen sinnlosen Anrufe oder E-Mailanfragen fallen für Kunden weg, weil eine aktuelle Übersicht ihnen zeigt, welche Anlagen in Deutschland noch verfügbar sind. Und last but not least profitiert auch die Umwelt durch die Vermeidung unnötiger Fahrten auf der Suche nach freien Plätzen.
Richtet sich die Initiative nur an Platzbetreiber oder können auch DMOs von der Initiative profitieren bzw. mitmachen?
Der entscheidende Vorteil der Initiative ist Besucherlenkung. Für die meisten Destinationen ist das ein Top-Thema auf ihrer Agenda. Die DMOs und ihre Leistungsträger profitieren ohne Mehrkosten von der Initiative, wir wären für eine kommunikative und politische Unterstützung deswegen sehr dankbar.
Wie funktioniert die technische Anbindung?
Am einfachsten erfolgt die Anbindung für die Kunden der beiden beiden PMS Systeme Tourist 2008 von Erdmann Edv Systeme sowie C1:Manager von Jawigo. Die Campingplätze müssen den Teilnahmebedingungen zustimmen und damit die Übermittlung ihrer kompletten Verfügbarkeiten und Preise an PiNCAMP freigeben. Danach werden alle noch buchbaren Zeiträume in die Verfügbarkeitssuche von PiNCAMP integriert. Sobald ein Camper buchen möchte, wird er auf die Internetseite des Platzes weitergeleitet. Wir wollen in den kommenden Wochen weitere PMS-Systeme freischalten. Parallel kann ein Campingplatz seine Preise und Verfügbarkeiten auch über das Extranet von PiNCAMP einpflegen.
PiNCAMP ist jetzt gut zwei Jahre auf dem Markt. Was habt ihr bisher erreicht?
Wir freuen uns sehr, dass PiNCAMP von den Campern so gut angenommen wurde. Wir haben mit PiNCAMP und unserer ADAC Camping App im letzten Jahr 5,8 Millionen Camper erreicht, insgesamt wurden 52 Millionen Seitenabrufe gezählt. Wir kennen kein anderes Camping-Portal in Deutschland mit diesen Leistungswerten. Ende 2019 haben wir die Buchungsmöglichkeit eingeführt, heute sind bereits 2.200 Campingplätze auf PiNCAMP online buchbar, ein großer Schritt nach vorne. Wir werden die Digitalisierung der Camping-Branche mit unveränderter Geschwindigkeit vorantreiben.
Wo stehen Deutschlands Campingplätze grundsätzlich in Sachen Digitalisierung?
Die deutsche Campingbranche hängt im Europäischen Vergleich bei der Digitalisierung messbar hinterher. Die international agierenden PMS- und Channelmanagement-Systeme kommen aus Frankreich, Spanien oder Dänemark, nicht aus Deutschland. Während wir insbesondere in Südeuropa eine regelrechte Aufbruchstimmung und eine Professionalisierung im Bereich Digitalisierung erleben, war die Diskussion in Deutschland bislang noch stark geprägt von Bedenken. Aber es gibt auch Leuchttürme wie die Campingplätze Stover Strand bei Hamburg, Wulfener Hals an der Ostsee oder Vitalcamping Bayerbach in Bayern, die die Chancen der Online-Buchbarkeit über Portale erkannt haben. Mit der Initiative „Camping Deutschland 2021 direkt” haben wir jetzt die Chance auf einen echten Digitalisierungsschub für die Branche. (5.4.21)
http://adac-camping.de/deutschland-direkt