
Ein Gespräch über das 25. Jubiläum der TMGS, die Entwicklung zum Kulturreiseland Nummer eins mit starker Positionierung im Ausland, und warum man als Marketingorganisation stets das Thema Vertrieb mitgedacht hat.
Frau Hiebl, die TMGS feiert 2025 ihren 25. Geburtstag. Sie selbst haben die Führung der Organisation im Mai 2019 übernommen, kannten den Sachsentourismus aber bereits vorher bestens aus ihrer Zeit im Erzgebirge. Wie hat sich der Tourismus im Freistaat in den vergangenen 25 Jahren entwickelt?
Der Tourismus steht heute fast schon wieder so fantastisch da wie zu unseren besten Zeiten im Jahr 2019 vor Corona. Damals kamen mehr als 8 Millionen Gäste in unser Land und buchten knapp 21 Millionen Übernachtungen. In den zurückliegenden sechs Jahren ist viel passiert. Trotz Corona haben wir viele Projekte und Ideen auf den Weg gebracht, die zum stetigen Wachstum beigetragen haben. Allem voran möchte ich die Schaffung der Digital-Architektur für den Tourismus in Sachsen mit dem Sachsen Tourismus Netzwerk SaTourN nennen, dessen Herzstück die landesweite touristischen Datenbank ist. Diese ging 2022 an den Start. Der Start von SaTourN ging einher mit der neuen Frameworkbasierten Website www.sachsen-tourismus.de, von der die Destinationen ebenfalls profitieren und deren Grundlage SaTourN ist. Bereits ein Jahr zuvor ist als interne Kommunikationsplattform das Tourismusnetzwerk Sachsen mit inzwischen sehr guten Zugriffszahlen aufgebaut worden. Zudem haben wir unserer touristischen Dachmarke „Sachsen. Land von Welt.“ ein frisches Outfit verpasst und haben unser Marketing sehr stark digitalisiert. Die TMGS selbst hat sich zum Kompetenzzentrum für den Tourismus in Sachsen entwickelt, in dem Marketing und Management Hand in Hand gehen.
Worauf fokussieren Sie beim Marketing?
Eine unserer Hauptaufgaben ist das Auslandsmarketing. Das Incoming hat sich dank zahlreicher Initiativen zum Wachstumstreiber für die Tourismuswirtschaft in Sachsen entwickelt. Der Anteil ausländischer Gäste liegt 2024 in Sachsen bei 11 Prozent. Das ist fast eine Verdopplung im Vergleich zum Jahr 2000 und damit eine deutlich bessere Entwicklung als im Bundesdurchschnitt. Nach wie vor kommen die meisten Gäste aus Polen, gefolgt von den Niederländern, den Österreichern, den Schweizern und den US-Amerikanern. Die jüngste Marktevaluierung aus 2024 hat bestätigt, dass die TMGS bei der Auswahl der bearbeiteten Märkte richtig liegt und dass sich die Kontinuität in der Marktbearbeitung ausgezahlt hat. Thematisch legen wir den Fokus auf touristische Angebote im Bereich Kultur. Laut dem Destination Monitor 2013/2023 dominiert der Anteil der Reisen mit kulturellen Anlässen und Aktivitäten mit Dreiviertel aller mehrtägigen Freizeitreisen nach Sachsen in den letzten zehn Jahren. Im Bundesdurchschnitt sind es nur etwas mehr als 50 Prozent.
Was auch erwähnenswert ist, ist der hohe Anteil an Familienreisen nach Sachsen. Hierfür weist der Destination Monitor zwischen 2013 und 2024 einen Anstieg um ein Drittel aus. Daran erkennen wir deutlich, dass unser Engagement für diese Zielgruppe richtig ist. Und seit die Marktforschung 2021 herausfand, dass 22 Prozent der Befragten sich vorstellen könnten, in Sachsen Mountainbike zu fahren, haben wir auch diesbezüglich Fahrt aufgenommen.
Was waren in Ihren Augen die Meilensteine der touristischen Entwicklung in den vergangenen 25 Jahren?
Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Aber ich nehme mal drei maßgebliche Themen heraus. Das ist zum einen die selbstbewusste, zielgruppenorientierte Werbung. Die TMGS stellte sich erstmals auf der ITB 2000 der internationalen Branche vor. Werblich ist sie mit einem Paukenschlag gestartet. Mit der neuen Wort-Bild-Dachmarke »DAS HABEN SIE NOCH NIE GESEHEN« und dem Slogan »Ich bin ein Sächsist« schlug die TMGS einen völlig neuen, frech-selbstbewussten Ton im Tourismus Marketing an. Wir hatten die volle Aufmerksamkeit. 2004 gehörte diese Werbekampagne zu den bekanntesten Tourismuskampagnen überhaupt. Ab 2005 rückte dann die Marke „Sachsen. Land von Welt“ in den Fokus. Damit hat sich Sachsen den Ruf erarbeitet, Kulturreiseziel Nummer 1 zu sein.
Aufsehen erregt haben auch unsere mehrfach auf der ITB prämierten thematischen Messeauftritte wie zum 500. Reformationsjubiläum in Deutschland 2017, die Kunsthalle Sachsen 2018 oder 500 Jahre Industriekultur in Sachsen 2019.
Der zweite Erfolgsfaktor ist die starke Konzentration aufs Ausland. Als erste Landesmarketinggesellschaft brachte die TMGS Ende April 2008 ein englischsprachiges Lifestyle-Magazin heraus. Das Statement darin: „SAXONY. STATE OF THE ARTS.“ Zeitgleich wurdeein Netz eigener Repräsentanzen und PR-Agenturen in strategisch wichtigen Märkten aufgebaut: in den USA, in China, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, in Polen und bis zum Ausbruch des Ukrainekrieges auch in Russland. Die Gästeentwicklung aus diesen Ländern seither sowie aus der Schweiz, Österreich und Tschechien geben uns recht, das richtige getan zu haben. Vor allem in der Coronapandemie waren unsere Partner vor Ort als wichtiges Verbindungsglied zu Veranstaltern, Reiseagenturen, Medien, potenziellen Gästen und Meinungsbildnern Gold wert. Darüber hinaus besteht schon immer eine sehr enge, kreative und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Deutschen Zentrale für Tourismus DZT.
Als drittes ist der Vertrieb ein Kernbaustein unserer Arbeit. „Sachsen muss am Counter buchbar sein“, das war das klare Credo des Gründungsgeschäftsführers der TMGS, Hans-Jürgen Goller. Von Beginn an war es ein wichtiges Anliegen der TMGS, die sächsischen Unterkünfte in den Reisebüros buchbar zu machen. Erstmals erschien im Spätsommer 2000 der Sachsen-Katalog des Reiseveranstalters TUI. Mit dieser Kooperation brachte die TMGS flächendeckend Angebote Sachsens in die Reisebüros. 2002 folgte AMEROPA mit einem eigenen Sachsen-Katalog. Um digitaler zu werden schaltete die TMGS dann als erste Landesmarketingorganisation im Sommer 2009 das eigene Online-Reisebüroportal www.sachsen-angebote.de frei. Damit konnten kleinere Reisebüros sächsische Unterkünfte buchen. Umgekehrt haben Kleinbetriebe dadurch den Zugang zu den Reisebüros erhalten. Dies war der Startschuss für ein breit angelegtes B2B Marketing in Reisebüros, Reisebürokooperationen und bei Veranstaltern. Seit 2015 ist die LMX Touristik in Leipzig Vertriebspartner der TMGS.
Wie wurde konkret die Positionierung als Kulturreiseziel Nr. 1 vorangetrieben?
Von jeher stand die Vermarktung der unverwechselbaren, über 1000 Jahre alten Kulturlandschaft Sachsens im Mittelpunkt unseres Marketings im Inland und vor allem im Ausland. Knallharte Fakten aus einigen Spezialmodulen der Reiseanalyse 2003, die Sachsen ein besonders hohes Interesse potenzieller Gäste in Deutschland am Thema Kultur bescheinigten, haben uns darin bestärkt, unser Marketing auf dieses Thema zu konzentrierten. Unser Mantra war der Satz: Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es flächendeckend ein so großes kulturelles Angebot wie in Sachsen. Das schließt die Kunst, Musik und Architektur ein. Schon bald führte jede vierte Kulturreise in Deutschland nach Sachsen. Unterdessen kombinieren wir in der Vermarktung unsere Kunstschätze sehr stark mit unseren Naturwundern – zunehmend nachhaltig und barrierefrei.
Was unterscheidet die sächsische Branche und ihre Akteure vielleicht bis heute von anderen Bundesländern?
Wichtige Bausteine sind sicher der sächsische Erfindergeist und die Macherqualität der Sachsen selbst. Diese haben das Land über viele Jahrhunderte erfolgreich gemacht. Davon profitieren wir bis heute. Baumeister, die alten Meister der Malerei, Komponisten und Erfinder haben der Welt ein großes, erlebbares Erbe hinterlassen. Darauf sind die Sachsen stolz und wollen es allen erzählen und jedem zeigen Hinzu kommt die sprichwörtliche Gastlichkeit. Die Sachsen sind selbst als Reisende überall in der Welt unterwegs. Deshalb sind sie auch bezaubernde Gastgeber, die wissen, worauf es im Urlaub ankommt,. Erst vor ein paar Tagen, Ende Januar 2025, hat uns Booking.com bei der Vergabe des jährlichen Traveller Review Awards die Goldmedaille überreicht: Sachsen ist das gastfreundlichste Bundesland Deutschlands.
Darüber hinaus ist einer der großen USP’s die enge Verbindung herausragender Kulturschätze mit faszinierenden Naturlandschaften, die nur in Sachsen in einer solchen Nähe erlebbar sind. Die aktuelle Markentreiberanalyse Sachsen hat dies eindrucksvoll belegt. Der Freistaat Sachsen war und ist aber auch Vorreiter im Bereich der Entwicklung des Destinationsmanagements und damit wettbewerbsfähiger Destinationen. Bereits im Jahr 2011 wurden klare Kriterien festgelegt, deren Erfüllung Voraussetzung für touristische Förderung sind. Damit ist es sehr früh gelungen, weg von der Kleinstaaterei hin zu größeren touristischen Einheiten zu kommen, die schlagkräftig am Markt agieren können.
Mit Blick auf die nächsten Jahre: Was sind ihre strategischen Ziele und wie wollen Sie diese erreichen?
Ein zentrales Ziel ist, Sachsen zu den führenden Bundesländern im Bereich Open-Data im Tourismus zu entwickeln. Die Datenbank SaTourN soll zum landesweit führenden System für touristisches Datenmanagement entwickelt werden, um damit die Organisation und Steuerung aller Marketingmaßnahmen in Sachsen zu gewährleisten.
Ein weiteres Ziel heißt Internationalisierung und bedeutet, dass Sachsen künftig flächendeckend über eine hohe interkulturelle Kompetenz im Tourismus verfügt und wir damit kontinuierlich den Anteil ausländischer Gäste steigern können. Durch eine nachhaltige Entwicklung soll der wirtschaftliche Erfolg des Tourismus im Reiseland Sachsen gefestigt und ausgebaut werden, während er in gleichem Maße am Wohl von Menschen und Natur ausgerichtet wird. Ziel ist die Integration der Themen Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit in allen sächsischen Angeboten. Aber auch die kontinuierliche Weiterentwicklung der TMGS selbst ist strategisch wichtig. Als innovative touristische Marketing- und Managementorganisation möchten wir noch viel stärker als bisher als Impulsgeber, Knowledge-Hub, Netzwerker und Manager zentraler, landesweiter Projekte agieren – verlässlich und gemeinsam mit den Partnern im Land.
Wie steht es angesichts der politischen Verhältnisse in Sachsen mit einer Minderheitsregierung um die Finanzierung ihrer Ziele und Aufgaben?
Es ist sehr erfreulich, dass im Zuge der Regierungsbildung nach der Landtagswahl 2024 der Tourismus weiterhin in einem eigenen Ministerium für Kultur und Tourismus beheimatet ist, das von einer sehr engagierten Staatsministerin für Kultur und Tourismus geleitet wird. Das signalisiert uns den hohen Stellenwert, den der Tourismus im Freistaat Sachsen hat. Ich bin optimistisch, dass auch weiterhin in den Tourismus investiert werden wird.
Mit Blick auf ganz Deutschland: Was erwarten Sie 2025 für ein Tourismusjahr?
Es wird kein einfaches Jahr werden. Deutschland steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, die sich auch auf den Tourismus auswirken können. Zwar stehen Urlaub und Reisen in den Konsumprioritäten grundsätzlich nach wie vor ganz oben im Ranking. Aber vor allem im Bereich der Kurzurlaubsreisen, der Kultur- und Städtetrips könnte es eher eine Konsumzurückhaltung geben. Extreme Kostensteigerungen der Betriebe treffen auf Kaufzurückhaltung. Zudem zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Menschen auch 2025 wieder verstärkt ins Ausland reisen. Deshalb ist es wichtig, weiter im Ausland um Gäste für Deutschland zu werben, um diese Lücke zu schließen. Positive Effekte erwarten wir von Chemnitz Kulturhauptstadt Europas 2025. Für den Tourismus ist dieser Titel, der sowohl die drittgrößte Stadt Sachsens als auch 38 Kommunen im Erzgebirge und Zwickauer Land einbezieht, eine Riesenchance, bekannter zu werden. Auf Messen ist das Interesse nationaler und internationaler Reiseveranstalter bereits sehr groß gewesen. Am Eröffnungswochenende 18./19. Januar ist mit rund 80.000 Gästen aus dem In- und Ausland ist ein überwältigender Auftakt gelungen. Rund zwei Millionen Gäste sind der Wunsch der Gastgeber im Kulturhauptstadtjahr. Für Sachsen insgesamt wäre es schön, wenn wir die 2019er Rekordmarke von knapp 21 Millionen Übernachtungsgästen übertreffen.
Mehr Infos zum 25-jährigen Jubiläum der TMGS
www.25jahre-tmgs.de