Viel in Bewegung

Die Onlinebuchung von Gastgebern bleibt laut neuestem DMO Digital Monitor ein Sorgenkind. Trotzdem tut sich hinter den Kulissen viel. Die Portalwelt integriert KI-Tools, mit Holidu ist ein neuer Player ins DMO-Geschäft eingestiegen, und das Thema dynamic pricing rückt auf die Agenda.

Die großen Portale sind beim Thema Onlinevertrieb weiter auf dem Durchmarsch. Nur ein Beispiel aus den deutschen Bundesländern: Laut Zahlen des Statistischen Landesamts sind 2022 fast eine Million Übernachtungen in Ferienwohnungen und -häusern in Sachsen-Anhalt allein über die vier große Plattformen Airbnb, Booking.com, TripAdvisor und Expedia gebucht worden. Damit ist die Zahl der auf diesen Portalen gebuchten Übernachtungen im Vergleich zu 2021 um 48 Prozent gestiegen.

Und doch ist dieser Siegeszug kein Selbstläufer, „sondern Ergebnis ständiger Optimierungen in den
Buchungsstrecken“, erklärt Holidu-Gründer und CEO Johannes Siebers. Sein Portal ist in Deutschland mit 100 Millionen Nutzerzugriffen jährlich selbst ein relevanter Kanal. „Das Verhalten der User auf unserer Website ist die Datenbasis für ständige Weiterentwicklungen im Hintergrund“, so Siebers. Täglich liefen Tests, um die Darstellung zu verbessern, die Conversion zu erhöhen oder passgenauere Angebote auszuspielen. Dass es am Ende 85 Prozent dieser teils aufwändigen Tests nicht aufs Portal schaffen, weil sie die Verkäufe nicht erhöhen, „gehört zum Geschäft“, meint Siebers. Dennoch sei der Aufwand notwendig, um den Anschluss an die ganz großen Player, die noch mehr testen, nicht zu verlieren.
Dieses sehr spezielle Mindset der Portalwelt, dieses ständige Optimieren und die starke Userperspektive
bringt Holidu seit einem Jahr auch in die DMO-Welt hinein. Mit der Übernahme der my.IRS GmbH und des TOMAS-Systems fährt Holidu seither zweigleisig: als Portal und als B2B-Vertriebslösung. Für Destinationen wurde diesen Oktober die „Holidu Smart Destination“ gelauncht, eine neue, vollständig integrierte DMO-Lösung, die das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden soll. Das vielleicht interessanteste Feature: Alle Optimierungen der Holidu-Website schlagen immer auch direkt in der White Label-Lösung der DMO-Buchungsstrecken durch.

Die Stärke des Produkts sei „die hohe Standardisierung, von der alle Kunden gleichermaßen profitieren“. Zwar hat Siebers Verständnis für den Wunsch von Kunden nach individualisierten Anpassungen – „doch schwindet dadurch die Zeit, die man ins Hauptprodukt investieren kann“. Am Ende hätten dann „alle schlechtere Buchungsstrecken“.

Auch zum Thema künstliche Intelligenz hat der Holidu-CEO eine klare Meinung. Zwar nutze man KI
schon zur Optimierung von Rankings, der Erstellung von Content oder zur Analyse von User-Bewertungen. Die Frage, wie die meisten Menschen in Zukunft nach Unterkünften suchen wollen, sei aber noch nicht beantwortet. Er persönlich glaube nicht, „dass jemand eine KI schon in naher Zukunft über seine einzige große Reise im Jahr entscheiden lässt“. Der richtige Ansatz, KI so in die Prozesse zu integrieren, dass es passt, müsse „erst noch gefunden werden“.

Tatsächlich sollte man sich als Destination oder einzelner Gastgeber auch nicht nur auf den Vertrieb über die ganz großen Portale verlassen. „Die kleineren Plattformen und die Buchbarkeit auf den DMO-eigenen Websites stellen in Summe einen erheblichen Anteil des Buchungsvolumens und der Reichweiten dar“, sagt Magdalena Lexa, Geschäftsführerin der OBS OnlineBuchungService GmbH. Gerade, wenn der Anspruch eines Vermieters ist, Gäste zu finden, die gut zum eigenen Objekt passen, „sind themenspezifische Portale von großer Relevanz“, erklärt Lexa. Trotz der gestiegenen Reichweiten und
immer besseren Differenzierungsmöglichkeiten durch die vielen Buchungskanäle beobachtet man bei der OBS allerdings einen besorgniserregenden Trend: „Wir sehen die Entwicklung, dass sich die DMO-Welt polarisiert. Die eine Seite verabschiedet sich gänzlich vom Vertrieb ihrer Gastgeber. Die anderen sehen es weiter als wichtigen Auftrag, ihre Betriebe beim Digitalvertrieb mit Lösungen zu unterstützen“, sagt Lexa.

Die Zahlen des aktuellen DMO Digital Monitor, der ausweist, dass inzwischen 47 Prozent der Regionen
meinen, mindestens 50 Prozent ihrer Gastgeber seien online buchbar, sieht sie kritisch: „Aus unserer Sicht ist diese Einschätzung sehr positiv“. Beim Start einer Zusammenarbeit liege der tatsächliche Stand in den
Destinationen „mehrheitlich weit darunter“. Eine Buchungsquote von über 50 Prozent erreichten nur
Organisationen, „die sich dem Thema schon seit vielen Jahren widmen“. Trotz guter Zahlen bei der OBS sei außerdem zu beobachten, „dass die Buchungsvolumina im Fewo-Segment insgesamt stagnieren oder sogar rückläufig sind“, sagt Lexa. Vermieter, die die steigenden Preise erfolgreich an ihre Gäste weitergeben wollten, müssten sich deshalb professionalisieren. Der Kunde habe längst auch im Bereich der Privatvermietung hohe Ansprüche. Darüber hinaus gebe einen Trend zu immer mehr Haustierbesitzern, „die ihre Vierbeiner auch ins Ferienobjekt mitnehmen möchten“.


Diesen Trend bestätigt auch SECRA-Chef Christoph Rakel: „Während der Pandemie wuchs die Zahl der
Hundebesitzer, sodass heute mehr als zehn Millionen Hunde in deutschen Haushalten leben.“

Laut der aktuellen Vermieterumfrage des Deutschen Ferienhausverbandes sind bereits 51,8 Prozent der
Objekte hundefreundlich eingerichtet, 77 Prozent erheben eine zusätzliche Gebühr für die Unterbringung.
Großes Potenzial sieht der Channel-Spezialist und Ferienhausexperte auch in der Zielgruppe der Workationers. Speziell dieser Trend könne „das Nebensaisongeschäft beflügeln“, so Rakel. Voraussetzung allerdings: eine leistungsstarke Internetverbindung! Vielversprechend bewertet der SECRA-Geschäftsführer auch, dass in den vergangenen Jahren viele besondere Unterkünfte neu auf den Markt gekommen sind, die zudem auch noch oft an ausgefallenen Orten stehen – beispielsweise Chalets oder Tiny Houses auf Campingplätzen. „Für Gäste sind diese Domizile reizvoll, weil sie neue Urlaubserlebnisse bieten“, sagt Rakel. Die Portale nehmen diese Ferienunterkünfte daher gerne als neuen Content ins Programm. Und Campingplätze, die sich vorher nie etwas aus Booking.com & Co. gemacht haben,
„wollen angesichts ihrer teils hohen Investitionen plötzlich ganz schnell Reichweite haben“, so Rakel.

Trotzdem könnten auch die meisten Betriebe, die schon online buchbar sind, mehr Umsatz erzielen, wenn sie auf dynamic pricing setzen würden. Was in der Hotellerie gang und gäbe ist, „kommt erst langsam in der Ferienwohnungsbranche an“, sagt Rakel. In der Praxis gebe es überwiegend noch Saisonpreise und Raten für die Ferienzeiten, die auf Erfahrungswerten basierten. Dabei bietet man für das Thema Revenue Management seitens der Tech-Unternehmen schon Schnittstellen zu Partnern wie beyond oder pricelabs an, die Gastgebern helfen, ihre Preise ideal anzupassen. „Diese flexiblen Raten, die Tag für Tag neu berechnet werden, geben wir automatisiert an die Portale weiter, um die Auslastung zu erhöhen“, erklärt Rakel. Und die DMO? Die sei als Berater und Enabler beim Thema Onlinebuchung trotz aller Technik immer noch gefragt, meint Rakel. Nur das Modell, einmal im Jahr Preise festzuschreiben, sei „nicht mehr state of the art“.


Dieser Artikel ist im neuen TN-Deutschland Magazin erschienen.
Das ganze Magazin zum Nachlesen gibt es HIER